Das Verbreitungsgebiet der Birnkrüge lässt sich an Ortsangaben „ablesen“. 85 verschiedene „Lieferorte“ hat Dr. Marie Salabova auf den ihr bekannten Krügen eruiert. Die angegebenen Orte liegen zum größten Teil in Baden. Es gibt aber auch Belege für Bestellungen aus Basel, Lindau, Massenbach / Heilbronn, Pforzheim, Tailfingen und Magstatt/Böblingen. Außerdem sind Exporte bis nach Bayern und Tirol bekannt. Durch die Rheinschifffahrt wurden Lieferungen nach Holland und in die Schweiz begünstigt. Ein Zitat von 1786 ruft uns die damaligen Handelsprobleme ins Gedächtnis: Durlacher Fayence „würde auch starken Absaz in Nieder- und Ober- Sachsen gefunden haben, wann nicht die in dasigen Provinzen eingeführte Monopole, allen Fremden den Eingang verschlössen“. Ein interessanter Beleg für die damalige deutsche Kleinstaaterei. Die Chronologie datierter Krüge ergibt einen Überblick der stilistischen Entwicklung. Der älteste bekannte, „1754“ datierte Krug ist mit einer verschnörkelten Namensmalerei dekoriert. Diese wird von gekreuzten Palmwedeln umrahmt und von einer markanten Krone überragt. Diese Dekorart findet sich bereits im 17. Jahrhundert auf Hanauer Krügen. Von dort könnte der Maler Johann Leonhard Preuß diese Idee mitgebracht haben, als er Mitte des 18. Jahrhunderts nach Durlach kam. Zum Vergleich zeigt die Kornwestheimer Ausstellung einen in dieser Tradition dekorierten Hanauer Birnkrug. Bis in die frühen 1780er-Jahre fand die auffallende Krone auf Zunftkannen Verwendung. Diese „Bekrönung“ ist sicherlich als Attribut der damals in markgräflichen Diensten stehenden „zünftigen“ Auftraggeber zu deuten. Den heraldischen Charakter betonten anfangs zwei zusätzliche Löwen. Sie flankierten wappenartig die bekrönten Kartuschen (Kannen von 1757 bis 1782). Danach erscheinen die Wappentiere seltener. An ihrer Stelle flankiert man die Frontmalerei mit Blumensträußen. Entsprechend haben sich Umrahmungen der frontalen Kartuschen von Palmzweigen über Bandelwerkkartusche (1755 und 1758) bis zu den ab 1760 gebräuchlichen Rocailleneinfassungen gewandelt. Die Rocaillenkartuschen blieben allzeit beliebt und wurden von begabten Malern besonders kunstvoll – teils floral – ausgeführt. Gegen Ende des 18. Jahrhundert reduzierte man die Rocaillenrahmen zu dreiseitigen Rocaillenbögen. Um 1780 löste der modische Kunsttrend das Rocaillenmotiv ab, und häufig schmückte nun klassizistischer Zierrat mit Schleifen oder Girlanden einfache Ovalreserven. Doch die bodenständige und traditionsbewusste Kundschaft verlangte noch lange Rocailleneinfassungen. Daher finden sie sich gelegentlich auf restlicher Weißware, die von ehemaligen Malern noch nach Manufakturende bemalt wurde. Im Empire und Biedermeier wurden die zentralen Bilder für modebewusste Auftraggeber vereinzelt auch in Kranzeinfassungen gestellt. Sprengten breit angelegte Szenen die üblichen Umrahmungen, so wurde darauf verzichtet und gelegentlich sogar die flankierenden Blumensträuße weggelassen. Ansonsten waren die seitlichen Buketts obligatorisch und haben sich ebenfalls bis zum Manufakturende erhalten. Dank der häufigen Datierungen ergibt sich auch eine zeitlich erkennbare Abfolge der umlaufenden Randborten. Diese parallel zum Rand verlaufenden Bänder tauchen erstmals in den 1780er-Jahren auf und sind zunächst unterschiedlich uni blau gemustert. Nachdem um 1800 gelegentlich auf Bordüren verzichtet wurde, begrenzten meist markante, ockergrüne Borten die Kannenränder. Sie sind schwarz konturiert und kommen mit unterschiedlicher Innenzeichnung vor, vorwiegend als Bogen- oder Zungenfries. Seit Mitte der 30er-Jahre des 19. Jahrhunderts zieren hellgrüne Rebenranken mit flüchtig gemalten, blauen Trauben die Krugränder. Auch die Henkelbemalungen lassen chronologische Charakteristika erkennen, obwohl diese weniger einheitlich ausfallen. Anfangs mit einer blauen Spiralranke dekoriert, folgen bald ein kurzer Blütenzweig oder Streublümchen. Ab 1780 zieren gereihte, nach unten verjüngte, tulpenartige Knospen die Henkelrücken. Schließlich reduziert sich deren Zahl, und sie ändern sich in derbe, dreioder fünfblättrige Streublüten. Auf individuell bemalten Henkeln finden sich gelegentlich kreuzförmige Blattmotive oder florale Rauten sowie in der Spätzeit langgezogene Doppelpalmetten. Solche individuellen Henkelbemalungen zählen allerdings zu den Ausnahmen.
Birnkrug: In einer dreiseitigen Rocaillenkartusche Blechschmied bei der Arbeit (links), daneben am Boden eine fertig gestellte Gießkanne. Anstelle des üblichen Blumenbuketts findet sich auf der rechten Krugseite ein Dragoner zu Pferd. Beischrift: „Johanes Kuzlin in Steinen – Freund versäume nicht zu leben. Es wird nicht lange gehen, es wird bei uns der Saft der Reben ja nicht lange Blühn – 1842.“ Original Zinndeckel. Bemerkenswert ist die alte Reparatur eines Sprungs. Damals war offensichtlich die Sicherung des Sprungs mit Drahtklammern preiswerter als die Anfertigung eines neuen Kruges, und man hat daran offensichtlich keinen Anstoß genommen
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