Daher blieben Fayencen – als sogenanntes „unächtes Porcelain“ – lange Zeit eine günstige Alternative. Bis 1800 entstanden – neben den fürstlich privilegierten Porzellanfabriken – fast hundert private, teils vom regionalen Adel subventionierte Fayencemanufakturen. Sie waren allerdings unterschiedlich erfolgreich und daher von mehr oder weniger langem Bestand. Mit einem vielfältigen, am Bedarf breiter Bevölkerungsschichten orientierten Sortiment gewann man Bürger, Bauern und vor allem den Landadel als Abnehmer. Alte „Preis-Couranten“ (Preislisten) dokumentieren heute noch das breite Warensortiment: Neben Terrinen, Platten, Schüsseln, Tellern, Löffeln, Besteckgriffen sowie anderen teils ausgefallenen Geschirren wurden Kaffee- und Tee-Service, Eierbecher, Kerzenhalter, Weihwasserkessel, Schreibzeuge, Nachttöpfe, Waschgeschirre, Perückenstöcke, Pomadenbüchsen, Seifenschalen, Vasen und mehr produziert. Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts machte das in England erfundene Steingut den Fayencefabriken das Überleben zunehmend schwer. Das aus weißbrennendem Ton hergestellte Tongeschirr war in der Herstellung preiswert, sah dabei dem Porzellan aber sehr ähnlich. Daher wurden Steingutgeschirre im ausgehenden 18. Jahrhundert sehr beliebt und traten in scharfe Konkurrenz zur Fayence. Konkurrenz kam auch vom in der Biedermeierzeit inzwischen billiger produzierten Porzellan.
Zum besseren Verständnis der damaligen Situation erscheint es sinnvoll, die Unterschiede zwischen Porzellan und Fayence aufzuzeigen. Bei der Porzellanherstellung entsteht im „Schrühbrand“ (circa 900 Grad Celsius) zunächst ein Rohling mit dichtem Scherben. Dieser „verschmilzt“ in einem zweiten Brand (1350 bis 1450 Grad Celsius) mit der aufgetragenen Glasur untrennbar zu einer homogenen Masse. In einem dritten Brand (700 bis 900 Grad Celsius) wird dann noch die sogenannte „Aufglasurmalerei“ eingebrannt. Durch seine hervorragenden Eigenschaften ist Porzellan aus der Tafelkultur und vielen anderen Lebensbereichen nicht mehr wegzudenken. Verbesserte Techniken und effektivere Brennstoffe sorgten dafür, dass Porzellan heute für jedermann erschwinglich ist. Im 18. Jahrhundert konnten sich nur reiche und sehr wohlhabende Käufer Porzellan leisten. Vor allem die Rohstoffe und das Brennmaterial (für drei Brände!) waren sehr kostspielig. Nicht selten wurden den fürstlichen Wünschen absolutistischer Manufakturgründer wirtschaftlich sinnvolle Überlegungen geopfert. Ein Musterbeispiel dafür war die herzogliche Manufaktur in Ludwigsburg mit ihren ungünstigen Standortbedingungen. Beispielsweise musste die Porzellanerde (Kaolin) unter logistisch schwierigsten Bedingungen aus Passau bis Ulm per Schiff und von dort mit Ochsenkarren in die württembergische Residenz transportiert werden. Da Kohle als Brennmaterial noch nicht zur Verfügung stand, fielen ganze Wälder den hohen Brenntemperaturen zum Opfer.
Drei Krugböden: Charakteristisch sind anfangs Krugunterseiten mit Abdrehrillen, teils mit Glasurresten (links). Deutlich zu erkennende exzentrische Abschneiderillen (Mitte). Der Scherben (gebrannte Masse des mittleren Kruges) ist ungewöhnlich hell, fast sandfarben. Üblicherweise ist der Scherben eher ziegelrot; in der Spätzeit glatt gestrichen (rechts) und wirkt oft schmutzig-braun
Birnkrug: Pflügende Bauern, rechts daneben Frau bei der Weinlese. Beischrift: „Johannes Schillinger – Eva Schillinger – 1823 – Der gute Rebensaft macht fröhlich und gibt Kraft“. Auf umlaufendem Landschaftssockel ist frontal und auf die linke Krugseite übergreifend ein Bauer mit Pferdegespann beim Pflügen dargestellt; rechts seine Frau bei der Weinernte. Die gleichen Nachnamen belegen, dass es sich um ein Ehepaar handelt.
Detail: Die ausgebrochene Schrift zeigt, dass das Schwarz in die Glasur „eingebettet“ ist, d.h. es handelt sich um Scharffeuerfarben, die auf die ungebrannte Glasur aufgetragen und gemeinsam gebrannt wurden. Würde es sich um Aufglasurmalerei handeln, würde nur die Farbe absplittern
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