Um die Bedeutung der Fayencen im 18. und 19. Jahrhundert zu verstehen, lohnt sich ein Rückblick in die Keramikgeschichte: Ende des 13. Jahrhunderts brachte der Weltreisende Marco Polo das erste chinesische Porzellan nach Europa. Das kostbare, zerbrechliche Material erregte hier große Begehrlichkeiten. Deshalb versuchte man in den nächsten Jahrhunderten vielerorts – erfolglos – die Nacherfindung des Porzellans. In Europa waren bis dahin nur einfache Töpferwaren und das derbe Steinzeug bekannt. Als Folge der in Spanien eingefallenen Mauren kam das Geheimnis zinnglasierter Keramiken aus Persien nach Südspanien. Mitte des 15. Jahrhundert brachte der Handel mit den spanischen Lüsterkeramiken bald auch das Herstellungsgeheimnis nach Italien. Der Export erfolgte über die Insel Mallorca, und daher nannte man die in Italien kopierten Erzeugnisse nach dem damals bedeutenden Handelsplatz „Majolika“. Nördlich der Alpen setzte sich die neue Töpferkunst – abgesehen von einzelnen, kleinen Hafnerbetrieben – allerdings erst auf dem Umweg über Holland durch. Unter dem Namen Fayence (nach dem bekannten italienischen Töpferzentrum Faenza) wurde die neue Keramiktechnik seit etwa 1600 in den Niederlanden ausgeübt. Der neue Werkstoff war ein brauchbares Porzellan- Imitat; damit kopierten Delfter Werkstätten das teuer importierte Porzellan aus Fernost. Seit der Entdeckung des Seewegs nach Ostasien durch Vasco da Gama hatten Segler der Ostindischen Compagnie ganze Schiffsladungen der zerbrechlichen Kostbarkeiten nach Europa gebracht. Verständlicherweise waren diese Importe so kostspielig, dass Delft auch mit den Porzellansurrogaten einen enormen Wirtschaftsboom erlebte. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts errichteten holländische Emigranten die ersten deutschen Fayencefabriken (1661 Hanau, 1662 Heusenstamm, 1666 Frankfurt/ M, 1678 Berlin, 1680 Kassel). Auch hier wurden dann die teuren Fernost-Porzellane kopiert. 1709/10 gelang Johann F. Böttger in Dresden (nicht Meißen!) – nach jahrelanger Forschung – das erste europäische Porzellan. Mit seinem Förderer, dem Erfinder Wilhelm von Tschirnhaus, erkannte Böttger, dass Porzellan nur mit einem etwa 50-prozentigen Anteil von Porzellanerde (Kaolin) und sehr hohen Temperaturen herzustellen war. Die zunächst ebenfalls hier errichtete Manufaktur wurde noch im selben Jahr – aus Sicherheitsgründen – auf die Meißner Albrechtsburg verlegt. Trotzdem gelangte das Arkanum (Geheimnis der Porzellanherstellung) durch Werkspionage schon 1718 nach Wien. Hier und in Deutschland entstanden bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts etwa ein Dutzend weiterer Fabriken. Bald galt der Besitz einer Porzellanmanufaktur beim deutschen Hochadel als „notwendiges Attribut des Glanzes und der Würde“ (O. Wanner-Brandt „Alt-Ludwigsburg“, Stgt 1906, S. 3 ). Die Produktion war allerdings so kostspielig, dass für die modischen Erzeugnisse – ebenso wie für die kostbaren asiatischen Importe – das Synonym „weißes Gold“ entstand. Der Ausdruck „weißes Gold“ wird auch darauf zurückgeführt, dass Böttger ursprünglich vorgab, Gold machen zu können. Mit Erfindung des begehrten und teueren Porzellans gelang ihm nun „weißes“ Gold.
Genredarstellung eines Bäckers am Teigtrog (rechts) und seiner Verlobten beim Verkauf (links). Beischrift: „Johann Georg Kieß Beckenmeister – Regina Hugin – 1804“. Die Nachnamen zeigen, dass es sich nicht um ein Ehepaar handelt. Meist waren solche Kannen Hochzeits- oder Verlobungsgeschenke (ergänzter Henkel)
Birnkanne mit spätem Dekor. Beischrift: „Georg Zitzer 1844 – Salomea Wahl – Wenn ich von der Arbeit ruhe aus, so trink ich gern das Krügle aus.“ In einem Blumenkranz steht ein stilisierter Rebstock. Beispiel für eine Bemalung nach Manufakturende (1840). Noch bis 1847 haben ehemalige Mitarbeiter vorhandene Weißware (unbemalte Krüge) staffiert
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